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Prof. Dr.-Ing. Thomas Korne im Interview

Industrie 4.0 für moderne Logistikprozesse - ein Interview mit Prof. Dr.-Ing. Thomas Korne

Wörter wie Industrie 4.0 oder Künstliche Intelligenz (KI) sind in aller Munde, Automatisierung und Digitalisierung halten in allen Industriebereichen Einzug. Auch in der Verpackungs- und Logistikbranche spielt das Thema eine zunehmend große Rolle. Aber was verbirgt sich in der Praxis hinter diesen Begriffen und vor welchen Herausforderungen stehen Unternehmen dabei?

Prof.-Ing. Dr. Thomas Korne ist Professor für Internationales Logistikmanagement an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Thematik. Im Interview erklärt er, was sich hinter den Begriffen Industrie 4.0 und KI verbirgt, welche Chancen Sie für moderne Logistikprozesse bieten und welche Voraussetzungen dafür gegeben sein müssen. 


F: Wofür steht Industrie 4.0 in der Praxis?
Prof. Dr.-Ing. Korne: Der Begriff steht in der Praxis für die clevere Vernetzung von Mensch, Information und neuer Technologie zur Lösung individueller Probleme in den Unternehmen.  Zu neuen Technologien gehören bspw. Fahrerlose Transportsysteme mit hoher Verfügbarkeit, Software mit Künstlicher Intelligenz oder mobile Tablets. So können durch Industrie 4.0 die Mitarbeiter über mobile Tablets am Arbeitsplatz kontinuierlich zu Prozessänderungen informiert und geschult werden. Dadurch entfallen Trainings in Überstunden und Prozessanpassungen auf neue Produkte können häufiger vorgenommen werden. Ausgangspunkt der Industrie 4.0 sollte immer eine Wertstromanalyse oder eine Potentialanalyse sein, um den Nutzen einer Vernetzung für das eigene Unternehmen abzuwägen.

F: Wie beurteilen sie die Rolle der KI in diesem Kontext?
Prof. Dr.-Ing. Korne: Künstliche Intelligenz (KI) sehe ich eher als Spitze eines Eisbergs an Industrie 4.0-Lösungen. Die Einsatzmöglichkeiten von KI liegen zurzeit vor allem in der Automatisierung geistig-repetitiver Arbeit. Damit lassen sich Tätigkeiten in der Durchführung oder Analyse immer wiederkehrender Ereignisse gut automatisieren. In vielen Unternehmen sehe ich die größeren Potentiale jedoch in der Bereitstellung von Informationen zum richtigen Zeitpunkt für die richtigen Personen in der richtigen Qualität, um effektive Entscheidungen zu treffen oder schneller und effizienter zu kommunizieren. In einigen mittelständisch geprägten Unternehmen werden relevante Daten noch nicht einmal erfasst. Diese Unternehmen sind von einer smarten Steuerung durch KI-Algorithmen noch weit entfernt. Es müssen meiner Meinung nach vor einem breiten Einsatz von KI einige Voraussetzungen in den Unternehmen geschaffen werden. Zum einen müssen im Unternehmen zunächst permanent Informationen über relevante Prozesse und Produktionsfaktoren generiert werden, um deren Zustand digital verfügbar zu machen. Zum anderen sollte die Forschung leistungsfähigere KI-Algorithmen entwickeln, die nachvollziehbar und schneller lernen können und deren Entscheidungen wir auch vertrauen würden. 

F: Welchen Einfluss hat das auf zukünftige Logistikprozesse?
Prof. Dr.-Ing. Korne: Logistikprozesse werden in der näheren Zukunft viel transparenter sein als heute. Die hierfür nötigen Technologien werden sich sehr schnell in der Industrie verbreiten, weil sich die Kunden eine solche Transparenz in der Lieferkette wünschen. Der digitale Transportbehälter mit Barcode oder Transponder ist ein gutes Beispiel für eine solche neue Technologie. Mit ihm lässt sich der Inhalt ohne größeren Aufwand digital verfolgen und dadurch recht einfach Transparenz schaffen. Für kritische Teile in der Automobilindustrie ist diese Technologie bereits im Einsatz und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie in der ganzen Branche ausgerollt ist. Auch der Einsatz von industriellen Cloud-Plattformen fördert Transparenz und wird daher Logistikprozesse in naher Zukunft stärker verändern. Eine rein autonome Steuerung von Logistikprozessen durch KI sehe ich noch nicht. Hier wird man sicher noch lange lieber dem Menschen vertrauen.

F: Welche Herausforderungen birgt Industrie 4.0 für Unternehmen?
Prof. Dr.-Ing. Korne: Die große Herausforderung in vielen Unternehmen ist meiner Meinung nach nicht die Digitalisierung, sondern die Prozessgestaltung. Prozesse, die aufwendig und fehleranfällig gestaltet sind oder deren Ursache-Wirkungszusammenhänge nicht bekannt sind, sollten nicht digitalisiert werden. Ansonsten werden ineffiziente Abläufe digital zementiert oder sind nicht steuerbar. Unternehmen, die bekannte Prinzipien der Prozessgestaltung, bspw. durch Six-Sigma oder Lean Management, erfolgreich in ihren Prozessen wirklich verankern konnten, haben es hier wesentlich einfacher mit der Digitalisierung. Weiterhin empfehle ich jedem Geschäftsführer zuerst die Entwicklung einer firmenindividuellen Roadmap für Industrie 4.0, um die Kostenrisiken minimal zu halten. Es sollte auch nur Prozesse digitalisiert werden, wenn ein Vorteil für die Zukunft nachvollziehbar ist. 

F: Wird der Mensch durch Automatisierung überflüssig?
Prof. Dr.-Ing. Korne: Der Mensch wird als Entscheidungsträger weiterhin im Mittelpunkt stehen und bleibt auf lange Zeit unverzichtbar. In der strategischen Logistikplanung und in IT-nahen Berufen gibt es einen hohen Bedarf an Mitarbeitern, um neue digitale Werkzeuge zu nutzen oder zu entwickeln. Hingegen werden wir in operativen Bereichen der Logistik, bspw. in der Materialbereitstellung einer Montage oder im Hub-to-hub LKW-Transport auf Autobahnen vermehrt Automation vorfinden. 

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